Februar 2014: Moratorium für Leitungsausbau

(1) Im Süden werden die Kernkraftwerke stillgelegt, im Norden wird Windenergie zugebaut, und deshalb benötigen wir dringend viele neue Stromleitungen. Klingt überzeugend, ist aber leider falsch.


(2) Mittlerweile kann mithilfe von Daten der Bundesnetzagentur belegt werden: Die geplanten neuen Stromleitungen sind NICHT fur den Transport von Windstrom von Nord nach Süd erforderlich, sondern für die Einspeisung von Kohlestromstrom zeitgleich zu Starkwindeinspeisung. Dies gilt insbesondere für die von Ostdeutschland nach Bayern geplanten neuen Leitungen. Dies geht eindeutig aus Daten der Bundesnetzagentur für 2022 hervor: Die Kohlekraftwerke in Ostdeutschland sollen auch zukünftig immer mit voller Leistung betrieben werden, also auch zeitgleich zu ostdeutscher
Starkwindeinspeisung.


(3) Leider resultiert wohl aus der geltenden Rechtslage ein Netzausbau fur Kohlekraftwerke:


Die Einspeisegarantie für Kohlekraftwerke zeitgleich zu Starkwindeinspeisung resultiert primar aus § 12 Abs. 3 EnWG: "(3) Betreiber von Ubertragungsnetzen haben dauerha@ die Fahigkeit des Netzes sicherzustellen, die Nachfrage nach Übertragung von Elektrizitat zu befriedigen und insbesondere durch entsprechende Übertragungskapazitat und Zuverlässigkeit des Netzes zur Versorgungssicherheit beizutragen."
D.h., jede Nachfrage nach Übertragungsleistung, also auch von jedem Kohlekraftwerk an jedem Standort, muss befriedigt werden (vgl. hierzu auch KraftNAV etc.). (Hinweis: Von dieser Einspeisegarantie strikt getrennt werden muss die Möglichkeit, einzelne Einspeiser bei akuten Netzengpässen abschalten zu konnen (§ 13 EnWG)).
Reichen die vorhandenen Netze dafür nicht aus, was bei wachsenden EE‐Anteilen immer haufiger der Fall sein wird, müssen die Netze ausgebaut werden: § 11 Abs. 1 EnWG: "Betreiber von Energieversorgungsnetzen sind verpflichtet, ein sicheres, zuverlässiges und leistungsfahiges Energieversorgungsnetz diskriminierungsfrei zu betreiben, zu warten und bedarfsgerecht zu optimieren, zu verstärken und auszubauen, soweit es wirtschaftlich zumutbar ist. Sie haben insbesondere die Aufgaben nach den §§ 12 bis 16a zu erfüllen."
Auf dieser Einspeisegarantie für Kohlekraftwerke zeitgleich zu Starkwindeinspeisung und der daraus resultierenden Ausbaunotwendigkeit baut der Netzentwicklungsplan (§ 12a ff. EnWG) und der Bundesbedarfsplan (§ 12e EnWG) auf.

(4) Die geplanten neuen Stromleitungen sind also keinesfalls für die Integration der erneuerbaren Energien erforderlich, sondern dienen weitgehend dem ungestörten Weiterbetrieb der Kohlekraftwerke zeitgleich zu Starkwindeinspeisung. Damit steht der Bau dieser neuen Leitungen im Widerspruch zu den Zielen der Energiewende, nämlich weniger
Kohlestrom und mehr erneuerbare Energien. Wer also den Bau dieser neuen Leitungen fordert, gefährdet die Energiewende. Der völlig überdimensionierte Stromnetzausbau belastet den Stromverbraucher unnötig, konterkariert den Klimaschutz und bedroht so die Akzeptanz der Energiewende. Der dringend erforderliche Ausbau schnell regelbarer Gaskraftwerke in Suddeutschland wird dadurch betriebswirtschaftlich völlig unrentabel.


(5) ... Vor dem Bau weiterer Leitungen muss zwingend das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) reformiert werden: Bei ausreichender Erneuerbarer Stromerzeugung sollten zukünftig konventionelle Kraftwerke kein gesichertes Einspeiserecht
mehr haben, insbesondere sollte hierfür kein Netzausbau mehr erfolgen.


(6) Parallel dazu muss der Netzentwicklungsplan neu erarbeitet und dann das Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG) und das Bundesbedarfsplangesetz (BBPlG) entsprechend angepasst werden. Und erst dann wissen wir, ob tatsachlich neue Leitungen für die Energiewende erforderlich sind.


17. Februar 2014

Prof. Dr. L. JARASS
Dipl. Kaufmann (Univ. Regensburg)
M.S. (School of Engineering, Stanford Univ., USA)
Hochschule Rhein Main


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